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Die Entmachtung der Männer schreitet voran

Der Mann ist nicht mehr der Garant der sozialen Ordnung und die Frau nicht mehr sein launisches Beiwerk. Tobias Haberl stellt fest: „Die Zeiten, in denen eine männliche Monokultur Frauen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaften ausschließen konnte, sind vorbei.“ Nur die katholische Kirche wehrt sich noch gegen die allmähliche Entmachtung der Männer, aber die ist mit ihren zweitausend Jahren auch schon alt und nicht immer so beweglich. Von Google über Hollywood bis zur Jungen Union berichten Frauen über Diskriminierung und verkrustete Rollenklischees, nicht tuschelnd auf dem Frauenklo, sondern laut und öffentlich. Und je selbstbewusster Frauen von Missbrauch berichten und Spitzenpositionen fordern, desto größer wird der Druck auf Männer, sich zu positionieren. Der Literaturwissenschaftler Tobias Haberl schreibt für das „Süddeutsche Zeitung Magazin“. Sein letztes Buch „Die große Entzauberung – Vom trügerischen Glück des heutigen Menschen“ wurde ein Bestseller.

Männer definieren sich stark über Hierarchien und Abgrenzung

Im Moment zieht sich ein Graben durch die Männerwelt. Auf der linken Seite heißt es: Männer müssen sich anpassen. Auf der rechten Seite: Männer sind, wie sie sind – ein gigantischer Haufen Testosteron. Tobias Haberl erklärt: „Die einen haben sich in der neuen Vielfalt gekonnt positioniert, die anderen verstehen die Welt nicht mehr, weil sie von Menschen kritisiert, beschimpft und verdrängt werden, die sie vorher nicht mal bemerkt haben.“

Laut Studien definieren sich Männer stärker über Hierarchien und Abgrenzung als Frauen. Je weiter politisch rechts sie stehen, desto größer ist ihre Sehnsucht nach Autorität und militärischen Strukturen. Tobias Haberl fügt hinzu: „Es sind also vor allem bürgerliche, konservative und rechte Männer, die Schnappatmung bekommen, wenn die Ordnung, die ihnen ein Leben lang natürlich vorgekommen ist, ins Wanken gerät.“ Im Moment kämpfen sie darum, in einer sich rasant wandelnden Welt noch ein bisschen mitmischen zu dürfen.

Manche Männer fühlen sich permanent bedroht

Diese Männer haben das heftige Gefühl, dass ihnen etwas weggenommen wird. Und damit haben sie, Tobias Haberl kann es nicht anders sagen: vollkommen recht. Sie verlieren tatsächlich Privilegien, die sie jahrhundertelang auf Kosten anderer innehatten. Und nun fühlen sie sich permanent bedroht. Für Alice Schwarzer, die die Frauenzeitschrift „Emma“ gegründet hat, sind Rechtsradikale und Islamisten lauter gekränkte Männer, die an Minderwertigkeitskomplexen und Größenwahn leiden.

Diese gekränkten Männer kompensieren ihren Bedeutungsverlust durch Aggressionen und können den Gedanken nicht ertragen, die traurigen Überbleibsel einer untergehenden Ära zu sein. Dagegen scheinen die Frauen, die auf sie herabsehen, von einer strahlenden Zukunft geküsst zu sein. Tobias Haberl weiß: „Viele Männer tun sich schwer mit einem Kultur- und Normenwandel, auch mit neuen Anforderungen, die an sie gestellt werden. Die Vorstellung, dass Frauen und Männer nicht nur theoretisch, sondern tatsächlich gleiche Rechte haben, empfinden sie nicht als Fortschritt, sondern als Angriff auf ihre Identität, ja als Niederlage.“ Quelle: „Der gekränkte Mann“ von Tobias Haberl

Von Hans Klumbies

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